New York, die Stadt, die niemals schläft, wie man gerne sagt. Doch so abgenutzt einem diese Floskel auch manchmal erscheinen mag, die Faszination, die für mich von dieser Metropole ausgeht, ist niemals abgegriffen. Ich kann zwar nicht genau sagen, ob es an der architektonischen Wucht, der kulturellen Vielfalt oder doch eher an den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten liegt. Aber vielleicht muss man nicht immer alles verstehen oder gar erklären können.
Was ich mit Bestimmtheit sagen kann, ist, dass unter anderem sicherlich die Serie Sex and the City ihren Teil dazu beigetragen hat. Schließlich war das während meiner Jugend (ich weiß, wie schrecklich das klingt) DER TV-Termin der Woche, der konsequent mit einer handvoll Mädels zelebriert wurde. Kaum zu glauben, dass man damals zu festen Zeiten Serien im Fernsehen geschaut hat. Und nicht Stunden damit zubrachte, bei Netflix oder dergleichen ganze Staffeln gleich in einem Rutsch durch zu suchten. Das kam dann, als ich alle sechs Staffeln auf DVD zu Weihnachten geschenkt bekam. Es war der helle Wahnsinn. Bis Silvester habe ich die Wohnung nicht mehr verlassen und mit meiner Freundin und damaligen Mitbewohnerin alle Folgen doppelt und dreifach geschaut. Aber ich schweife ab. Denn ich will hier von Lily Bretts Buch „New York“ erzählen.
„New York fehlt mir jedes Mal, wenn ich wegfahre. Oft fehlt mir New York schon, bevor ich fahre.“
Aufgrund der Tatsache, dass allein der Gedanke an den Big Appel stets für ein Kribbeln im Bauch sorgt, und ich leider nicht alle Naselang auf Stippvisite vorbei schauen kann, verleitet es mich immer wieder dazu, gedanklich über den großen Teich zu reisen und einen, sagen wir, analog-virtuellen Spaziergang rund um den Central Park & Co. zu beschreiten. Und wie kann man das am besten tun? Genau! Mit Lesen! Demnach ist es nicht verwunderlich, dass ich immer wieder zu Büchern greife, die sich in irgendeiner Form um New York drehen.
„Es fällt uns schwer, Dinge zu sagen, die anderen eine Freude machen könnten, ganz zu schweigen von Dingen, die sie verletzen oder verunsichern könnten. Ich habe dich so gern, ist schwer zu sagen. Ich wäre gern mit dir befreundet, bleibt uns im Hals stecken, wenn wir älter als zehn Jahre sind.“
So geschah es, dass Lily Bretts New York auf meiner Leseliste landete und kurzum mit in den Kurzurlaub kam. Dieses kleine aber feine Buch liest sich im Grund in einem Abwasch und sorgte bei mir durchweg für Erheiterung. Genau das Richtige für die erste Tasse Kaffee am Morgen, wenn das Gerhirn noch nicht für die Aufnahme komplexer Zusammenhänge bereit ist, sondern sich vielmehr für eine dezente Berieselung dankbar zeigt.
Die Autorin lebt seit vielen Jahren in New York City. Geboren wurde sie 1946 in Deutschland, wo ihre Eltern, nachdem sie Ausschwitz überlebt hatten, sich unverhofft in einem Durchgangslager wieder trafen. Wenige Jahre nach Lillys Geburt wanderte die Familie nach Australien aus. Später zog sie von Melbourne nach NYC.
Das Buch fasst mehrere Kurzgeschichten zusammen, in denen Lily Brett ihren Alltag in New York beschreibt. Persönlich, unprätentiös, humorvoll, nachdenklich, schnörkellos und ohne Umschweife.
„Ich mag Silvester nicht. Ich mag den Gedanken an pompöse Enden nicht. Oder den an pompöse Anfänge. So etwas macht mich nervös. Ich komme mir dann immer vor, als müsste ich große Gedanken und Worte und Vorsätze bemühen statt der normalen Flotillen kleiner Übereinkommen und Unternehmungen.“
Und genau aus diesem Grund hatte sie mich im Grunde nach der ersten Seite. Über den Zeitraum von einem Jahr erschienen diese Texte in der Wochenzeitung Die Zeit. Dabei zeichnet Brett nicht nur ein Porträt ihrer selbst, sondern zugleich eines der Stadt und vermittelt ein unverblümtes New Yorker Lebensgefühl. Ich habe neue Blickwinkel gewonnen und diese pulsierende Stadt ein stückweit mehr ins Herz geschlossen. Wer also ähnlich vernarrt ist, dem empfehle ich diese kurzweilige Lektüre wärmstens!